kurz gefragt? – klar geantwortet! | #1 pflegekammer rlp – zwischen anspruch und akzeptanz

Herzlich willkommen zu unserem neuen Format „pflegenetz: kurz gefragt? – klar geantwortet!“ – zwei prägnante Fragen, eine Expertin bzw. ein Experte, ein Thema.

Kompakt, klar und relevant: Damit Sie die Entwicklungen im Gesundheits- und Pflegesektor stets im Blick behalten.

In der ersten Folge steht die Pflegekammer Rheinland-Pfalz im Mittelpunkt – eine Institution, die derzeit im Zentrum einer kontroversen Debatte steht. Diskutiert werden unter anderem Aspekte wie Transparenz, Informationspolitik und die öffentliche Wahrnehmung. Um die Diskussion fundiert einordnen zu können, haben wir Frau Hannah Igl zwei gezielte Fragen gestellt.

❓ Frage 1

Wie beurteilen Sie die öffentliche Diskussion rund um die Pflegekammer Rheinland-Pfalz – insbesondere hinsichtlich Transparenz, Informationslage und der geäußerten Kritik?

**Antwort der Expertin:**

Oft wirkt die Kritiker:innenseite wie „wir gegen die da oben“ – obwohl gerade die Pflegekammer als „Pflegegremium“ Pflegefachpersonen endlich selbst ans Ruder holt. Proteste richten sich so gegen engagierte Kolleg:innen statt gegen das System.

Manche Kritik ist überzogen oder beruht auf Missverständnissen, andere Punkte sind dagegen nachvollziehbar, etwa der Frust über fehlende kurzfristige Verbesserungen. Doch Kammerarbeit wirkt langfristig - während über 100 Jahre Selbstverwaltung aufzuholen sind, sind 10 Jahre keine lange Zeit. Im Föderalismus kann auch nicht ein Bundesland allein die Pflege transformieren.

Die Kritik an der Pflichtmitgliedschaft teile ich nicht. Pflege ist zu komplex, um die Verwaltung fachfremden zu überlassen. Um unseren Beruf selbst aufbauen zu können, brauchen wir finanzielle Autonomie und aufgrund unserer enormen Macht über die verletzlichsten Gruppen der Gesellschaft müssen wir registriert und in gewissem Maße überwacht werden.

Wichtig ist, Aufgaben klar von Gewerkschaften und Berufsverbänden abzugrenzen. Die Kammer allein ist kein Wundermittel und ihr werden häufig Punkte vorgeworfen, die eigentlich Aufgabe von Gewerkschaften wären. Auffällig ist, dass Ver.di die Kritik stark befeuert und gleichzeitig oft mit Eigenwerbung verknüpft; zudem kursieren viele Falschinformationen.

Pflegende sollten wachsam bleiben, Kritik kritisch hinterfragen und Chancen und Grenzen kennen. Es gibt in Deutschland bisher faktisch keine ähnlich vielversprechende Alternative – die Vereinigung der Pflegenden Bayern hat trotz Freiwilligkeit und Kostenfreiheit kaum Zulauf, dies zeigt das fehlende Bewusstsein oder die fehlende Bereitschaft der Berufsgruppe. Sie hat außerdem aus mehreren Gründen kaum Wirkmacht im Vergleich zur Kammer.

Wir müssen alle Hebel – Kammer, Gewerkschaft, Verbände – nutzen. Einer allein wird nie ausreichen.

 

❓ Frage 2

Welche konkreten Schritte wären aus Ihrer Sicht notwendig, um das Vertrauen von Pflegefachpersonen in die Pflegekammer Rheinland-Pfalz (wieder) zu stärken?

**Antwort der Expertin:**

Konstruktive Kritik sollte ernst genommen und zeitnah bearbeitet werden – von einer ehrlichen, kritischen Selbstreflexion kann die Pflegekammer nur profitieren.

Wichtig scheint zudem, gezielt den Dialog mit gesprächsbereiten Kritiker:innen zu suchen, Anliegen zügig zu beantworten und größtmögliche Transparenz zu gewährleisten – etwa bei Haushalt, Tätigkeiten und Entscheidungsprozessen.

Da einige Mitglieder Angst vor überbordender und wirkungsloser Bürokratie haben, sollten bürokratische Strukturen möglichst schlank gehalten werden. Für die Akzeptanz braucht es auch einen klaren Bottom-up-Ansatz.

Dieser ließe sich durch Nahbarkeit, Offenheit und niederschwellige Beteiligungsformate fördern, wie regionale Veranstaltungen, Foren, digitale Mitgliederbefragungen oder Abstimmungen.

Nachdem viele wichtige Meilensteine erreicht wurden, könnten nun zusätzliche Angebote geschaffen werden, die Pflegefachpersonen in der Praxis direkt ansprechen – ein Anfang ist das neue Format „Pflegewissen digital“. Hierbei handelt es sich um ein monatliches, kostenloses Webinar für Mitglieder, in dem praxisrelevante Themen wie beispielsweise das Schmerzmanagement in der Pflege thematisiert werden.

Mitglieder sollten flächendeckend spüren, dass sie sich auf die Kammer verlassen können. Parallel bleibt Aufklärungsarbeit zu Möglichkeiten und Grenzen der Pflegekammern entscheidend, um unrealistische Erwartungen zu vermeiden und Chancen klarer erkennbar zu machen.

** Vielen Dank an Hannah Igl für die fachliche Einordnung und die differenzierte Perspektive. Ihre Einschätzungen tragen dazu bei, die Diskussion rund um die Pflegekammer besser zu verstehen und einzuordnen.**

 

 

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kurz gefragt - klar geantwortet

Hannah Igl

Pflegefachperson · Pflegepädagogin · Referentin für Berufspolitik

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