PFLEGESENSITIVE INDIKATOREN von Viktoria Redl

Machen wir das Richtige und machen wir es richtig?

Diese Frage beschäftigt die Pflege seit jeher. Um die Pflegequalität in der eigenen Einrichtung zu erheben, werden unter anderem Fallanalysen durchgeführt. Hierzu wird die Dokumentation einzelner Fälle mit einem großen Zeitaufwand manuell reviewt. Die Ergebnisse werden anschließend für Schulungszwecke oder zur Maßnahmenableitung herangezogen.

Um ein kontinuierliches und effizientes Controlling implementieren zu können, soll es möglich sein, aus der Routinedokumentation der Pflege im Rahmen einer Sekundärdatenanalyse die Pflegeergebnisqualität abzuleiten.

Pflegesensitive Indikatoren ohne Bezug zum “Warum”

Mit der zunehmenden Digitalisierung im Gesundheitswesen und somit auch in der Pflegedokumentation werden diese Systeme zunehmend zu einem universalen Wissenssystem (Friedl, 2009). Wirtschaftliche und qualitätssichernde Aspekte einer Gesundheitseinrichtung können per Sekundärdatenanalyse aus erfassten Routinedaten gezogen werden [1].
Unter Pflegequalität wird der Grad der Übereinstimmung zwischen Ergebnis und Pflegeziel verstanden [2]. Diese wird vor allem mit Hilfe pflegesensitiver Indikatoren transparent dargestellt, welche den Zusammenhang zwischen ausgeführten Pflegemaßnahmen und daraus entstehenden Ergebnissen präsentieren [3]. Daher kann die Pflegeergebnisqualität als messbare Veränderung des professionell eingeschätzten Gesundheitszustandes, von der Lebensqualität und Zufriedenheit des Betroffenen und als Ergebnis von Rahmenbedingungen und Maßnahmen der pflegerischen Versorgung definiert werden [4].
Bekannte pflegesensitive Indikatoren sind beispielsweise: Anzahl der Stürze, entstandene Dekubiti oder freiheitsbeschränkende Maßnahmen. Diese Indikatoren stellen messbare Kennzahlen zur Pflegequalität dar. Jedoch werden diese bislang nicht in einen Kausalitätsbezug mit den Pflegeinterventionen oder den Pflegeprozess gesetzt. Sie nehmen Bezug auf das jeweilige Ereignis, welches meist negativ ist.
Die quantitativen Zahlen können erhoben werden, für die ergänzende qualitative Analyse ist zusätzlich ein manuelles Review der Fälle und deren Dokumentation notwendig.
Ist jedoch eine digitale Pflegedokumentation im gesamten Pflegeprozess durchgängig, so können pflegesensitive Indikatoren mit dem Pflegeprozess beziehungsweise mit den Pflegeinterventionen in Verbindung gesetzt werden. Bereits 2008 beschrieb Müller-Staub, dass zur Messung der Qualität die dokumentierten Pflegediagnosen, Interventionen und Ergebnisse betrachtet werden sollten, um innere Zusammenhänge beurteilen zu können. Sie erwähnte auch, dass anhand einer Likert-Skala die Pflegeergebnisse beurteilbar sind [5]. Das Gesundheits- und Qualitätsgesetz schrieb ebenfalls, dass mit Hilfe eines Zielerreichungsgrades die Effektivität zwischen dem gesetzten Ziel und dessen Realisierung definiert werden kann [6].

WAS BEEINFLUSST DIE QUALITÄT DER PFLEGE

In die Pflegeergebnisqualität fließen gewiss viele Aspekte, Zustände, Prozesse und Informationen ein. Wie beispielsweise die Expertise der Fachpflegeperson, Dauer des Aufenthaltes, medizinische Diagnosen, Medikation und häusliche Versorgung. Aber um eine Aussage über die Pflegeergebnisqualität treffen zu können, sollte die Ausarbeitung auch an der Basis der Pflege begonnen werden. Die Fachpflegepersonen selbst haben im Rahmen des Eigenverantwortlichen Tätigkeitsbereichs die Möglichkeit auf das Pflegeergebnis Einfluss zu nehmen. Daher wurde für eine Auswertung das Delta der dokumentierten Zielerreichungsgrade der jeweiligen Pflegeziele des Pflegeplans als erste Aussage über das Pflegeergebnis und somit über dessen Qualität herangezogen.

ENTWICKLUNG EINES AUSWERTUNGSTOOLS

Die Auswertung der Pflegeergebnisqualität basiert auf die Erfassung der Zielerreichungsgrade einer fünfstufigen Likert-Skala der Pflegeziele. Hierzu bietet das Tool eine retrospektive Auswertung aber auch eine Ist-Analyse als Möglichkeit eines Dashboards für Stationsleitungen. Im Tool selbst können mehrere Stationen zusammengefasst oder jede Station einzeln betrachtet werden. Die durchschnittlichen Pflegeergebnisse aller Fälle des auszuwertenden Zeitraumes geben erste Hinweise zur Verschlechterung, Stagnierung oder Verbesserung des Pflegeoutcomes der einzelnen Fälle und Beobachtungen zur Entwicklung einer Station. Zur genaueren Analyse eines Falls ist es möglich im Tool Informationen aus dem Pflegeplan anzeigen zu lassen. Wie beispielsweise:

  • eine Darstellung zur Individualität der Pflegeplanungen innerhalb einer Station
  • das durchschnittliche Pflegeergebnis aller Patient*innen im Auswertungszeitraum
  • Aufschlüsselung der Pflegeergebnisse innerhalb eines Falles
  • Pflegediagnosen und dazu geplante Pflegeziele und Pflegeinterventionen
  • Verlauf der Zielerreichungsgrade in den jeweiligen Pflegezielen.

Stationsansicht: Individualität der Pflegepläne und Auflistung aller Fälle mit farblicher Darstellung der Pflegeergebnisse bei integrierter ENP-Pflegeklassifikation

DIE HERAUSFORDERUNG

Es ist also möglich, eine integrierte Likert-Skala in den Pflegezielen zur Auswertung der Pflegeergebnisqualität heranzuziehen. Um den Umgang mit den Zahlen zu lernen, ist eine Pilotierung des Tools notwendig.
Auswertungen in einer Gesundheitseinrichtung sind für viele noch eine Herausforderung. Die Auswertung der Pflegeergebnisqualität wäre eine weitere, da es noch keine Vergleichswerte gibt und das Verständnis dafür erst entwickelt werden muss. Ebenso sind auch diese Ergebnisse von der Qualität der Daten und der Dokumentation abhängig.
Die kombinierte Betrachtung der Pflegediagnosen, Pflegeziele und deren Interventionen kann innere Zusammenhänge erkennen lassen [5] und Fakten darlegen, welche den Pflegeprozess beeinflussen. Durch das Heranziehen dieser Daten können mehrere Aspekte für die Einrichtung monitiert und analysiert werden. Es können Maßnahmenableitungen beispielsweise im Bereich des Kompetenzmanagements, zur Optimierung der Dokumentation, Anpassung gewisser Prozesse oder Ressourcenplanung erkannt werden. Es wird aber auch deutlich, welche Interventionen zum Ziel führen und es können auf dieser Basis weitere pflegewissenschaftliche Fragestellungen oder Pflegestandards analysiert werden.
Nach den ersten Pilotierungen könnten auch Aspekte zur Weiterentwicklung des Tools definiert werden.
Dieses Tool zeigt neue und teilweise ungewisse Möglichkeiten aber es kann bereits in diesem frühen Entwicklungsstadium eine Antwort auf die Frage der Pflegenden geben: Machen wir das Richtige und machen wir es richtig?

Artikel erschienen in: Pflegenetz 4/20, 2020, S. 29-32

LITERATUR

  1. Friedl F. Der Wandel vom Dokumentationssystem zum Wissenssystem. Österreichische Pflegezeitschrift. 2009;62:15–6.
  2. Korečić J. Pflegequalität und Qualitätssicherung. In: Korečić J, editor. Pflegestandards Altenpflege. 3rd ed. Berlin, Heidelberg, s.l.: Springer Berlin Heidelberg; 2003. p. 39–58. doi:10.1007/978-3-662-09255-2_3.
  3. Wingenfeld K ea. Entwicklung und Erprobung von Instrumenten zur Beurteilung der Ergebnisqualität in der stationären Altenhilfe: Im Auftrag des Bundesministeriums für Gesundheit und des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend. Bielefeld/Köln; 2011.
  4. Liu Y, Avant KC, Aungsuroch Y, Zhang X-Y, Jiang P. Patient outcomes in the field of nursing: A concept analysis. International Journal of Nursing Sciences. 2014;1:69–74. doi:10.1016/j.ijnss.2014.02.006.
  5. Müller-Staub M, Needham I, Lunney M, Odenbreit M, Lavin MA, van Achterberg T. Qualität von Pflegediagnosen, -interventionen und -ergebnissen: Kriterien und Operationalisierung des Messinstruments Q-DIO. Pflege. 2008;21:327–38. doi:10.1024/10125302.21.5.327.
  6. Republik Österreich. Bundesgesetz zur Qualität von Gesundheitsleistungen: GQG; 2005.
  7. Pflegedokumentationssystem NCaSol, mit integrierter Pflegeklassifikation ENP
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Viktoria Redl

Viktoria Redl ist diplomierte Gesundheits- und Krankenpflegeperson, Pflegeinformatikerin und Produktverantwortliche für ein Pflegedokumentationssystem.

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