DIGITALE DOKUMENTATION IN DER PFLEGEAUSBILDUNG

Digitale Dokumentation in der Pflegeausbildung – Interview mit Pflegeakademie der Barmherzigen Brüder Wien

Wie bereits in unseren Artikeln öfter erwähnt, ist der digitale Wandel um uns nicht mehr aufzuhalten. Das betrifft auch das Gesundheitswesen.
In unserem Blog wurden bereits über die Skills der PflegeinformatikerInnen gesprochen und diesbezügliche Fort- und Weiterbildungsmöglichkeiten.
Doch wie sieht es in der Grundausbildung aus? Wird in den Schulen der Gesundheits- und Krankenpflege sowie weiteren Einrichtungen diese Thematik berücksichtigt?

 

Künftige Fachpflegepersonen sollten mit digitalen Dokumentationssystemen konfrontiert werden

Österreich hat eine eHealth Strategie, sowie jedes Bundesland. In der eHealth-Strategie Wien wurden unter anderem auch Telemedizin und Telemonitoring definiert. Viele Einrichtungen des Gesundheitswesens beschäftigen sich mit IT-Strategien, auch immer mehr Einrichtungen führen digitale Dokumentationssysteme ein. Des Weiteren gibt es auch Lösungen für Labore, Bildgebung und PatientInnenverwaltung.
Daher sollten auch künftige AnwenderInnen bereits in der Basisausbildung damit konfrontiert werden. Es geht nicht nur darum, dass in der Praxis statt schriftlich auf einem Blatt Papier digital in einem Dokumentationssystem dokumentiert wird. Vielmehr geht es auch um das Verständnis. Was sind Pflegeklassifikationen und warum brauchen wir diese? Was bedeutet Datenschutz und Datensicherheit? Was genau ist ELGA? Warum ist digitale Dokumentation sinnvoll? Wie können erfasste Daten genützt werden? Was versteht man unter eHealth, Telehealth, usw.? Wenig IT-affine Personen haben zu Beginn auch große Scheu vor dem Umgang mit unterschiedlichen Systemen. Würden sie während der Ausbildung einige kennenlernen, so ist es in der Praxis einfacher damit zurecht zu kommen.
Ein bereits veröffentlichter Artikel beschreibt die Rolle der Pflegeinformatik in der Grundausbildung. Lehrinhalte der Pflegeinformatik in unterschiedlichen Ausbildungsstätten wurden recherchiert und gegenübergestellt.

 

Schriftliches Interview mit der Pflegeakademie der Barmherzigen Brüder Wien

Mit einem schriftlichen Interview mit der Pflegeakademie der Barmherzigen Brüder Wien möchte ich das Thema noch mal aufgreifen und die gewonnenen Informationen als gutes Beispiel für andere Ausbildungseinrichtungen voranstellen.
Die Fragen wurden von Schuldirektorin Fr. Mag.a Barbara Zinka sowie Dr. Margareta Jukic-Puntigam, MAS, Mag. Katja Podzeit, Dr. Alfred Steininger und Florian Waltner, BScN, MScN beantwortet.

 

Pflegeinformatik.at: Seit wann ist die Digitalisierung in Ihrer Einrichtung im Unterricht integriert?
Pflegeakademie BHB Wien: Seit ca. 20 Jahren ist “NCaSol” (digitales Pflegedokumentationssystem der Firma Care Solutions) im Unterricht integriert, da dieses seit 25 Jahren im Krankenhaus der Barmherzigen Brüder Wien angewendet wird.

Pflegeinformatik.at: Haben Sie EDV-Schulungsräume?
Pflegeakademie BHB Wien: Seit 2002, EDV Raum mit 13 Sitzplätzen (12 TeilnehmerInnen, 1 Vortragender)

Pflegeinformatik.at: Wird der gesamte Pflegeprozess anhand digitaler Dokumentation geschult?
Pflegeakademie BHB Wien: Auf den Stationen wird das System “PatiDok” (Krankenhausinformationssystem (KIS) der Firma (PCS) verwendet, mit pflegebezogenem System “NCaSol” und medizinbezogenem System “MedCaSol” (Modul zur digitalen medizinischen Dokumentation der Firma Care Solutions). Da das Dokumentationssystem strengen Datenschutzrichtlinien unterliegt, kann es nicht direkt in den theoretischen Unterricht integriert werden. Es gibt Laptops, die den Zugriff auf das Krankenhausinformationssystem erlauben, diese werden im “Lernbereich Training und Transfer” (LTT) in den Skills Labs eingesetzt. Im theoretischen Unterricht wird auf Screenshots von Masken und Inhalten zurückgegriffen. Auch im EDV Raum an der Pflegeakademie ist ein direkter Zugriff auf das Dokumentationssystem möglich. Allgemein wird der Pflegeprozess auf Grundlage theoretischer Inhalte aufbereitet, in den internen Praktika in den Institutionen der Barmherzigen Brüder wird das theoretisch Gehörte direkt im digitalen System angewendet und umgesetzt.

Pflegeinformatik.at: Werden auch sonstige/organisatorische Abläufe am PC geschult? (z.B.: Laborauftrag, Fieberkurve, medizinische Dokumentation – ganzheitliches Betrachten der PatientInnen (Fallanalysen),…)? Wenn nicht, würden Sie es für sinnvoll erachten?
Pflegeakademie BHB Wien: Wie oben erwähnt; in den internen Praktika in den Institutionen der Barmherzigen Brüder wird das theoretisch Gehörte in den Dokumentationssystemen angewendet und umgesetzt, DGKP und PraxisanleiterInnen unterstützen diesen Lernprozess.
Fallanalysen bzw. Fallbesprechungen werden regelmäßig in Zusammenarbeit mit Stationsleitungen aus der Pflege und einer fallführenden DGKP durchgeführt, der Pflegeprozess mit den 6 Schritten steht dabei im Mittelpunkt.

Pflegeinformatik.at: Nach welcher Pflegeklassifikation wird geschult? (eine bestimmte oder ist es möglich, verschiedene kennenzulernen?)
Pflegeakademie BHB Wien: Da die Pflegedokumentation von Care Solutions die Pflegeklassifizierung von ENP integriert und eingebunden hat, wird ENP immer als Bezugsklassifikation im theoretischen Unterricht herangezogen. Dazu gibt es die Klassifikation auch als E-Book und ist somit praktisch in die Lehre zu integrieren. In der Lehrveranstaltung „Pflegeklassifikationssysteme“ werden unterschiedliche Pflegeklassifikationen vorgestellt.
Die Möglichkeit besteht in den unterschiedlichen Praktikumsstellen verschiedene Klassifikationen/Systeme kennenzulernen, ein einheitlicher Überblick welche Institution, welches System verwendet, besteht derzeit nicht.

Pflegeinformatik.at: Mit welchem Pflegedokumentationssystem wird geschult? (“NCaSol”, oder ist es möglich verschiedene Systeme kennenzulernen?)
Pflegeakademie BHB Wien: In den Einrichtungen der Barmherzigen Brüder Österreich wird mit Care Solutions Produkten (“NCaSol”, “MedCaSol”) auf den Stationen gearbeitet und dokumentiert. Somit werden auch die Studierenden in internen Praktika auf dieses System geschult. In externen Praktika besteht die Möglichkeit andere Systeme kennenzulernen.

Pflegeinformatik.at: Gibt es ein (verpflichtendes) vorgegebenes Curriculum bzgl. digitaler Dokumentation/digitale Entwicklung im Gesundheitswesen/Pflegeinformatik? Wenn ja, seit wann und welche Themenbereiche werden vorgegeben?
Pflegeakademie BHB Wien: Das Curriculum gibt es seit 2008 und wurde seither immer wieder überarbeitet. Die AbsolventInnen sollen unter anderem Kenntnisse hinsichtlich pflegespezifischer Informatik erwerben. Ordnungssysteme und Pflegeklassifikationen werden genauso bearbeitet wie der erweiterte Pflegeprozess – Advanced Nursing Process (ANP)und Themen aus Datenschutz und Datensicherheit im Gesundheitswesen. Auch über Auswertungen von pflegespezifischen Daten wird unterrichtet.

Pflegeinformatik.at: Wie ist der Unterricht der einzelnen Themenbereiche aufgebaut (theoretisch/praktisch, welche Inhalte – in Stichworte)?
 Pflegeakademie BHB Wien: Wir halten uns an das Curriculum. Im Rahmen dieser Lehrveranstaltung üben die Studierenden anhand der EDV gestützten Dokumentation mit dem Klassifikationssystem ENP® Teile der Pflegeplanung.
Die Studierenden haben im Rahmen der Lehrveranstaltung auch Einblick in das Wunddokumentationssystem (“WCaSol”, der Firma Care Solutions).

Pflegeinformatik.at: Werden die Themenbereiche geprüft?
Pflegeakademie BHB Wien: Der Bereich Klassifikationssysteme und der Advanced Nursing Process (ANP) wird im Rahmen einer schriftlichen Arbeit geprüft.

Pflegeinformatik.at: Wie ist das Feedback der Auszubildenden bzgl. dieser Themen? (Interesse, Verständlichkeit/Nachvollziehbarkeit, Lerneffekt, Wünsche zur Optimierung des Unterrichts, …?)
Pflegeakademie BHB Wien: Rückmeldungen von den Studierenden (3. Semester) zeigen, dass der Pflegeprozess in einigen Praktikumsstellen noch nicht angekommen ist. Die Anwendung des Pflegeprozesses mit der entsprechenden Datenverarbeitung gehört zu den Kernkompetenzen der diplomierten Gesundheits- und Krankenpflegeperson und wird im Unterricht gut angenommen, insbesondere die praxisorientierte Umsetzung.

Pflegeinformatik.at: Wie ist das Feedback der Ausbildenden zu diesen Themen? (Herausforderungen bei Vorbereitung und während dem Unterricht, werden die Ziele erreicht…?)
Pflegeakademie BHB Wien: Verstärkte, gezielte Einbindung des Pflegeprozesses in verschiedene Lehrveranstaltungen erleichtert die Anwendung in der Praxis. Längere Übungsphasen wären wünschenswert.

Pflegeinformatik.at: Wie ist Ihre persönliche Meinung zu diesen Thematiken in der Ausbildung?
Pflegeakademie BHB Wien: Die Inhalte sind für den gehobenen Dienst für Gesundheits- und Krankenpflege unabdingbar. Die Kenntnis und die Anwendung sichern u.a. auch die Qualität der PatientInnenversorgung. Ein weiterer Faktor ist die Generierung von Pflegedaten, die für die Weiterentwicklung in der Pflegeversorgung (intramural und extramural) verwendet werden können.

Pflegeinformatik.at: Wo sehen Sie noch Schwachstellen bzw. was würden Sie sich für die Zukunft wünschen/benötigen, um die vorgegebenen Themenbereiche erfolgreich zu unterrichten?
Pflegeakademie BHB Wien: Wünschenswert wären gut entwickelte Schulungsprogramme, die die Schritte des Pflegeprozesses abbilden.

Pflegeinformatik.at: Noch etwas, was Sie gerne sagen möchten?
Pflegeakademie BHB Wien: Sinnvoll wäre zu dieser Thematik eine stärkere Vernetzung mit PraxisanleiterInnen, um den Transfer Theorie-Praxis zu optimieren.

Ich bedanke mich noch mal sehr herzlich für die Bereitschaft zur Teilnahme des schriftlichen Interviews von Fr. Mag.a Barbara Zinka sowie für die investierten Zeitressourcen zur Beantwortung der Fragen. Sie haben uns einen interessanten Einblick hinter die Kulissen ermöglicht.  Durch die Integration der digitalen Dokumentation im EDV Schulungsraum wie auch in der Praxis leisten Sie wertvolle Arbeit für zukünftige Fachpflegepersonen.

 

Testsysteme für Ausbildungsstätten

Es wäre von Vorteil, wenn Schulen ebenfalls Testsysteme zur Verfügung hätten. Auch Fallanalysen können mit dieser Möglichkeit besser durchgeführt werden. Die Auszubildenden lernen, notwendige Informationen aus verschiedenen Dokumentationsinhalten zu filtern.

Ebenso erhalten die AnwenderInnen ein Gefühl über die Erfassung und Zusammenhänge der erfassten Daten sowie daraus entstehende Informationen.
Eine cloudbasierte Lösung von unserem System könnte in den Ausbildungsstätten zu Schulungszwecken integriert werden. Mit unserem System ist es möglich vorbereitete Testdaten zu nutzen. Dies wäre durch einen einfachen Aufruf, ohne Installationsarbeiten der Haus-IT zur Verfügung.

Somit kann das theoretische Wissen in einer Softwarelösung abgerundet werden, die bereits von über 10.000 Pflegekräften in Österreich tagtäglich verwendet wird.

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Viktoria Redl

Viktoria Redl ist diplomierte Gesundheits- und Krankenpflegeperson, Pflegeinformatikerin und Produktverantwortliche für ein Pflegedokumentationssystem.

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