„Ich muss nicht mehr zurück in die Pflege – Ich kann etwas anderes machen.“ – Können wir diesen Brand noch löschen?

In Österreich sind mit Stand 2019 rund 127.000 Pflege- und Betreuungspersonen im klinischen Setting, der extramuralen Pflege sowie in den Langzeitbereichen beschäftigt – 60 Prozent davon ist Personal im gehobenen Dienst.

Die Pflegepersonal-Bedarfsprognose des Bundesministeriums geht davon aus, dass bis zum Jahre 2030 42.000 Pflege- und Betreuungskräfte fehlen werden – diese Zahl inkludiert nur die Abgänge aufgrund von Pensionierungen, nicht jene, welche sich zusätzlich durch Berufsabgänger ergeben (BMASGK, 2019).

Laut Umfragen der österreichischen Arbeiterkammer dachten bereits im Jahr 2018 28 Prozent der Pflegepersonen mindesten einmal im Monat daran, das Berufsfeld zu verlassen – ein Prozentsatz, der durch die Pandemie vermutlich keine Senkung erfahren hat.

Getriggert durch die Zahlen stellt sich folgende Frage: Können wir diesen Brand noch löschen? Gilt es, den drohenden Pflegekräftemangel entgegenzusteuern, konnten in Erhebungen einige Stellschrauben lokalisiert werden, an denen es zu drehen gilt.

Die Arbeiterkammer erhob in einer österreichweiten Befragung 2019 vier Hauptfaktoren, welche den Verbleib im Pflegeberuf verlängern können: ein adäquates Einkommen, vorhandene Dienstplansicherheit, ein angenehmes Arbeitsklima und genügend Zeit, um die Patient*innen adäquat betreuen zu können (AK, 2019).

Ein weiterer Fakt sticht in den Erhebungen hervor, schafft Hoffnungen auf der einen und macht nachdenklich auf der anderen Seite: Die Professionisten im Pflegebereich mögen ihre Tätigkeit, gehen ihr gerne nach – es sind lediglich die Rahmenbedingungen, die den Ausstieg forcieren.

Befragt man das verbleibende Personal in der Praxis, zeichnet sich ein durchwachsenes Bild ab – jene die sich bereits emotional sowie auch in weitere Folge tatsächlich von der Pflege verabschieden und jene anderen die versuchen, mit den Ressourcen die zur Verfügung stehen, die beste Betreuungssituation für die Patient*innen  zu ermöglichen. Da gilt es dann auch durchwegs, kreative und neue Wege zu gehen aber auch, sich ein stückweit mehr emotional von der Pflegesituation abzugrenzen. Wenn am Ende des Dienstes die Liste mit den Dingen, die nicht erledigt werden konnte stetig länger ist als jene Liste mit Dingen, die erledigt werden können, gehen und kommen alle mit Bauchweh. Und es wird fraglich, in welchem Rahmen Empathie noch möglich ist.

„Man fühle sich wie ein nachwachsender Rohstoff und erfährt keine Wertschätzung, weder vom Arbeitgeber noch von der Berufspolitik“ und „im Endeffekt fühle sich die Pflegeperson immer als „die Blöde““ – ein Querschnitt des Gefühlszustandes der Profession. Ressourcenschonender Umgang gehört zum 1x1 eines effizienten Managements – eine Kompetenz die auch die Arbeitszufriedenheit der Mitarbeiter*innen bedienen muss. Viel zu oft fühle sich die Pflege wenig gehört und noch weniger verstanden – liegt es also an ihr, so zu kommunizieren, dass man sie versteht? Wortwahl und Lautstärke inbegriffen, Malapropismus exkludiert.

Schließlich ist der Beruf verbunden mit einem komplexen Anforderungsprofil und verlangt auch darüberhinausgehend den Akteuren einiges ab. Man müsse auf Knopfdruck funktionieren und, bereichsabhängig, in Sekundenschnelle weitreichende Entscheidungen im Team treffen – Fehler darf man sich hierbei kaum erlauben und die Patientenversorgung unterscheidet dabei nicht, ob es 2 Uhr nachmittags oder 2 Uhr nachts ist. Quittiert wird das Ganze mit fehlender Supervision, geringen Fort- und Weiterbildungsmöglichkeiten, welche sich im gangbaren Rahmen mit der Tätigkeit am Bett kombinieren lassen und in weiterer Folge mit der Vergeudung von Potential - betreffend die Pflegepersonen sowie auch die Versorgungsstrukturen.

Leidtragend sind dabei die positiven Aspekte des Berufsbildes: die Arbeit mit und am Patienten. Dafür braucht es die Gewissheit die Ressourcen zu haben, die Betroffenen allumfassend versorgen zu können, Angehörigenarbeit inkludiert. Wenn Personen nach schweren Unfällen eingeliefert werden und nach wenigen Wochen gehend, sprechend und lachend das Krankenhaus verlassen, ist das ein Wunder, welches nicht nur sie selbst, sondern auch die Akteure im Betreuungsprozess ermöglicht haben. Das Gefühl der sinnstiftenden Tätigkeit führt dann wiederrum zu mehr Mitarbeiterzufriedenheit und ist somit ein Weg um den Teufelskreis zu durchbrechen, denn sinkende Personalzahlen gehen mit immer weniger optimierbaren Arbeitsbedingungen einher – und die Katze hat sich an diesem Punkt lange genug in den Schwanz gebissen.

Was also können wir tun, damit die Massenflucht ausbleibt und dem Abbau des Einzelfrustes weicht?

Das während der Pandemie um 18 Uhr geklatscht wird ist zwar nett, bringt aber nichts. Durch die vermehrte Berichterstattung in den Medien wird ein Scheinwerfer auf die prekäre Situation gerichtet, allerdings neigt dieser zur Schubladisierung – schließlich krankt nicht nur die Intensivpflege, sondern das gesamte System und darunter fallen auch die Langzeitpflegeeinrichtungen oder der mobile Dienst. Ein fahler Beigeschmack wohnt immer inne – nämlich, dass es nach der überstandenen Pandemie niemanden mehr interessiert. Aus den Augen, aus den Sinn.

Wenn man die Pflege nicht von Grund auf neu strukturiert damit man in dem Beruf lange verweilen kann, ohne massive psychische und physische Schäden zu erleiden, wird niemand mehr in diesem Feld tätig sein wollen. Dafür müsse man die Sichtbarkeit erhöhen, auf die Relevanz der Pflege in der Gesellschaft sowie der Politik aufmerksam machen und im gleichen Zuge Lösungsvorschläge anbieten. Im Sinne von: Wir kennen unsere Probleme, wir haben die Lösungen. Weniger Ohnmachtsgefühl, mehr Handlungswillen – danach dürstet die Pflegelandschaft. Dieser Veränderungsschritt beginnt schon bei der Akquisition einer adäquaten Berufsvertretung, welche gleichsam scharfsinnig, eloquent, verhandlungsstark und krisensicher agieren muss - Eigenschaften, die dem Berufsbild per se schon innewohnen. Dabei gilt es eine Interessensvertretung, welche in politische und gesellschaftliche Entscheidungsfindungen inkludiert ist, weiter auszuformen und zu fördern. Dieser Entwicklungsschritt kann nur mithilfe der Akteure in der Praxis stattfinden – mehr Input bringen, mehr Anstoß bieten, weniger typisch österreichisch „suddern“. Viele Berufsstände wie zum Beispiel Mediziner oder Juristen haben diesen Schritt schon vor langer Zeit bewerkstelligen können – und die Pflege kann das auch.

Dabei muss sie im Vergleich zu anderen Berufsgruppen eventuell noch effizienter arbeiten, noch mehr Willen beweisen, mit noch mehr Elan die Extrameile gehen, um den Stempel, den sich die Profession Pflege über Generationen hinweg aufdrücken hat lassen, wieder loszuwerden. Aceton reicht hier schon lange nicht mehr aus – ein produktiver Diskurs zwischen allen beteiligten Akteuren allerdings schon.

Also diskutiert mit: Wie kann man die Zufriedenheit im Pflegeberuf erhöhen? Wo krankt das System, wo hingegen nicht und welche Teile muss man dringendst erneuern? Lasst uns eure Meinungen unten in der Kommentarbox wissen, für mehr Input zu diesem Thema hört auch gerne den Podcast „Wenn ich groß bin werde ich Krankenschwester – warum ich dann doch lieber Jura studierte und was wir von Berufsaussteigern lernen können.“

Wir freuen uns über einen regen Austausch zum Thema und eure Lösungsansätze, um den entstandenen Brand eventuell doch noch löschen zu können.

Weiterleitende Links zum Thema:

11 Antworten

  1. Würde die ganze Pflege von Männern durchgeführt werden.
    Gäbe es längst Schwerstarbeit für Pflegende.
    Mehr Gehalt und bessere Arbeitsbedingungen.
    Keine 40 Stunden plus Wochen.
    Geregelte Arbeitszeiten und nicht immer abrufbereit zum Einspringen für Krankenstände.
    Keine Pension mit 65j.
    Wobei sie in der Familie nicht auch noch die Belastung einer Frau hätte .
    Ich hoffe es kommen bald mehr Männer!
    Oder wir Frauen lassen uns nicht länger ausnutzen, halten zusammen und Kämpfen für uns.

  2. Wenn Unterschiede zwischen bei der Gehaltszahlung sind zwischen Palliativpflege und stationärem Hospizbereich, dann darf man sich über Unzufriedenheit des Pflegepersonals nicht wundern.
    In beide Bereichen ist nach einigen Jahren die Ausbildung mit dem Kurs Interprofessioneller Basislehrgang Palliative Care notwendig und verpflichtend!
    Nur im Hospiz bekommt man danach keine Zulage ( nur erschwerte Bedingungen sind vorhanden- kein Arzt der ständig im Haus ist, mehr Patienten zu betreuen,…. )
    Kein Wunder das dann viele Kollegen das Weite suchen oder sich eine Palliative Station oder ein mobiles Palliative Team als Dienststelle suchen.
    Auch das Pensionsalter mit 65 in der Pflege am Bett ( und Nachtdienste alleine machen) ist ein Wahnsinn! Man bedenke das ein Mensch bis 45 noch selbst eine andere körperlich Konstitution hat als Menschen mit 50+!
    Wohin das noch führt – wir werden es ( leider) erleben dürfen!

  3. Ich arbeite in der Hauskrankenpflege. Uns wurde es verboten Juli, August Urlaub zu beantragen. Finde ich furchtbar vorallem wenn Kinder da sind. Wir müssen ständig Dienste übernehmen….Anrufe in der Freizeit am Privathandy….arbeiten bis 65 ist unzumutbar. Da überlegt jede Dgkp wie es später weiter gehen soll. Es wird körperlich, unter Zeitdruck einfach zu anstrengend. In Wirklichkeit ist HKP nichts für 40 Std Kräfte. Zu viele geteilte Dienste killen die Freizeit. 2x pro Monat Wochenende Dienst.
    Es gehört her:
    – Pension mit 60
    – angemessener Gehalt. Keine Peanuts. Eine Dgkp bekommt bei Pflegegeldeinstufung weniger bezahlt als ein Arzt. Warum? Es ist die Selbe Arbeit. Noch dazu betrifft diese Arbeit die Ausbildung der Pflegekräfte und nicht die eines Arztes. Pflegegeldeinstufung muss die Dgkp machen. Ärzte können es oft nicht einschätzen. Medizinische Diagnosen haben nichts mit Pflege zu tun.
    – wundmanager wissen mehr über chronische Wunden als die Meisten unserer Ärzte. Das muss endlich honoriert werden.
    – Zulagen wegen körperlich sehr anstrengender Arbeit
    – HKP muss häusliche Gegebenheiten akzeptieren…. Ist oft inakzeptabel und eine körperliche Zumutung
    – 2 Wochen Urlaub muss sich die Dgkp unbedingt selbst aussuchen können. Ist das nicht auch im Gesetz verankert?
    – und noch einmal. Ich als Dgkp in der Hkp habe keinen Arzt an meiner Seite. Sollte nicht auch diese Art der Verantwortung honoriert werden? Viele Dgkps gehen aus genau diesem Grund. Es ist oft kein Rückhalt eines Arztes da. Da gerade nicht Dienst etc. In der HKP trifft die Dgkp Entscheidungen und das alleine. Extrem hohe Verantwortung…. Honorar dementsprechend?… Nein… Wir bekommen sogar noch weniger als die Dgkp im Krankenhaus Im Krankenhaus ist immer ein Arzt zur Stelle.
    – es ist nicht einmal Geld für Wundmaterial da. Wir arbeiten oft mit den Materialien die gerade da sind. Ich rede von Erstbegutachtungen bei Aufnahme da weiß der Arzt noch gar nicht dass Decubiti, Ulcera etc vorhanden sind…gefährliche Pflege?… Auch ein Grund warum Dgkps flüchten.
    – Anpassung der Gehälter der Dgkp im häuslichen Bereich an die Dgkps im stationären Bereich. Hier wird es in wenigen Jahren den stärksten Mangel geben. Viele Pensionisten werden alleine dastehen……
    – und Nein. Pflegen kann nicht jeder. Ich rede von professionellen, hoch ausgebildeten Pflegekräften und nicht von 24 Std Betreuern.

  4. Weiters ist es wichtig an mehreren Enden anzusetzen, also auch die Ausbildung attraktiver zu machen. Ich studiere zum Beispiel momentan auf einer FH zur Gesundheits- und Krankenpflege wir bekommen kein Geld für unsre Praktika obwohl wir teilweise auf Corona Stationen eingesetzt werden und fehlendes Personal „ersetzen“, aber in der Polizeischule bekommt man schon im ersten Ausbildungsjahr ein Gehalt.

  5. Es muß möglich sein dass man länger im Beruf bleibt. Derzeit müssen >50jährige die gleiche Leistung im selben Tempo bringen wie junge Kolleginnen/ Kollegen. In anderen Berufen geht es doch auch dass man als älterer Arbeitnehmer andere Aufgaben übernimmt.

  6. Mit 30 Stunden ist die Lebensqualität wesentlich höher, die Kürzung der Stunden wurde mir allerdings nur aufgrund gesundheitlicher Probleme zugestanden. Dass wir mittlerweile bis 65 arbeiten sollen ist allerdings mehr als grenzwertig! Seit kurzem ist Altersteilzeit möglich, allerdings ist mir noch niemand begegnet, der es genützt hat.

  7. Attraktiv wäre eine Stundenreduzierung von 40std auf 35 std bei weiterbleibender Voll Entlohnung dies macht Sinn für die schon immer im Berufsstehenden eine bessere Work Life Balance und schafft zusätzlich weitere Dienstposten wie mehr Zufriedenheit auf beiden Seiten minimiert die Krankenstands Tage zb.
    Eine 6 Woche Urlaub welche man durch die Nachtdienst Gutstunden einarbeitet quasi da man oft nicht mal zum abbauen eben dieser kommt
    Mit freundlichen Grüßen

  8. Es braucht Pflegekräfte die am Bett arbeiten können und nicht am Computer… Auch sollte der Pflege Schlüssel geändert werden damit man für die Patienten, Klienten, Bewohner ect. mehr Zeit hat… Sobald Menschen mit Demenz auf der Station sind gehört eine Pflegekraft zusätzlich eingeteilt.

  9. Die Pensionsalter muss speziell für Beruf neu angeschnitten werden Dienstzeit muss kürzer werden mit Verbesserung der Gehälter und was die Ausbildung betrifft wir wollen Krankenschwestern die am Patienten Bett arbeiten und keine Schreibkraft sind und den Beruf ein Status machen mit dem man sich Stolz identifizieren kann

  10. Es müsste endlich mal möglich werden, dass auch wir DGKP auf Überweisung eines Arztes arbeiten können. Das würde vielen Freiberuflichen und deren Patienten massiv helfen. Soweit ich weiß sind wir der einzige Gesundheitsberuf bei dem eine Überweisung nicht möglich ist.

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Lisa Zwirchmayr, BSc MSc, ist Gesundheits- und Krankenpflegeperson im Bereich der Kinder- und Erwachsenenintensivpflege sowie Content-Creator für das pflegenetz. Sie beendete 2016 das Bachelorstudium Gesundheits- und Krankenpflege und ist seit 2020 Absolventin des Master-Studienganges Angewandte Gesundheitswissenschaften der IMC Fachhochschule Krems.

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